Übst Du schon oder spielst Du nur?

Letztes Update: 
20. Februar 2017
Von Bernd Kiltz
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Übst Du in Deiner Lernzone?

Die Performance-Zone

Die Übezone

Das Problem

Die Lösung

Übst Du in Deiner Lernzone? Was ist das? Hier kommt die Erklärung 🙂

Hast Du das schonmal erlebt? Du spielst richtig viel Gitarre. Du übst jeden Tag so lange es geht, am Wochenende noch ein wenig mehr. Aber Du wirst einfach nicht besser. Oder Du hast Dich eine Zeitlang wirklich gut verbessert, bist aber an einem sogenannten Plateau angelangt, dass heißt Dein Spiel scheint sich einfach nicht mehr weiterzuentwickeln? Ich beobachte dieses Phänomen häufig bei Schülern, die frisch zu mir kommen. In der Tat ist es sogar der häufigste Grund, warum Schüler zu mir in den Unterricht kommen oder gitarrenlehreronline.de buchen. Warum ist das so? Es hat doch vorher funktioniert, warum werde ich nicht besser? Das liegt daran, dass es für jede Fähigkeit 2 Zonen gibt: Die Übe-Zone und die Performance-Zone.

Die Performance-Zone

In dieser Zone führst Du das aus, was du bereits kannst. Das können z.B. bestimmte Songs oder Solos sein, oder Improvisation über bestimmte Jamtracks, die Du magst. Auch Tonleiterübungen und Technikübungen gehören dazu, wenn Du sie fehlerfrei spielen kannst, obwohl Deine Konzentration evtl. ab und zu abschweift – trotzdem machst Du keine Fehler mehr. Das Problem dabei ist folgendes: Du trainierst dabei zwar ein wenig Deine Finger, hast Spaß und eventuell festigt es auch Deine Hornhaut auf den Fingerkuppen. Die Annahme, dass Du gerade Übst, ist allerdings leider komplett falsch! Wenn Du ausführst, was Du schon kannst, ist das kein Üben – sondern im Prinzip ein Vortrag. Ohne Publikum, in diesem Fall. Du solltest Dir also bewusst sein, dass Du das nur zum Spaß und zur Unterhaltung Deiner selbst machst. Üben tust Du in diesem Moment nicht, dass heisst Du kommst keinen Meter weiter, sondern bleibst auf genau diesem Stand stehen.

Die Übezone

Wie sieht richtiges Üben aus? Die erste Charakteristik ist die wichtigste: Wenn Du wirklich etwas übst, verspielst Du Dich sofort, wenn die Konzentration nicht 100% ist. Sonst ist die Übung zu einfach oder Du kannst es schon. Üben muss anstrengend und zu einem gewissen Grad unbequem sein, sonst bringt es nichts. Richtig üben musst Du nur dass, was Du nicht kannst. Wenn Du z.B. zum 100.000 mal die A Moll Pentatonik hoch und runter spielst, obwohl Du Dich mit Sicherheit dabei nicht mehr verspielst, dann bringt das nichts. Hier könntest Du stattdessen z.B. einen anderen Shape der gleichen Tonleiter üben. Oder ein komplexes Rhythmuspattern (Rhythmische Worte) mit der Tonleiter verbinden. Oder das Ganze an der Grenze Deiner maximalgeschwindigkeit üben, um schneller zu werden. Oder die Abfolge der Töne verändern, z.B. in 4er Gruppen oder 6er Gruppen üben. Oder wie wäre es, die Pentatonik mal in einer anderen Tonart zu spielen, die Du noch nicht so oft gespielt hast? Das Motto heißt hier: Raus aus der Komfortzone! Was Du bequem beim Fernsehschauen spielen kannst, kannst Du bereits gut genug. Übe etwas, was Du nicht kannst! Ich wette, Du hast genug Material rumliegen – denn das ist in der heutigen Zeit nicht das Problem. Aber nutze es! Und dann bleib so lange dabei, bis Du es richtig gut kannst. Dann ist es von Deiner Übe-Zone in Deine Performance-Zone gerutscht, und schwupps: Du bist ein besserer Gitarrist geworden.

Das Problem

Warum üben nur so viele Gitarristen selten in Ihrer Übe-Zone? Nun ja, man will ja gut klingen. Und wenn das jemand hört… Die denken noch ich könnte nichts! Diese Gedanken musst Du abschalten. Wenn Du mich beim üben hören würdest, könntest Du manchmal denken: Der will mir unterricht geben, dass klingt ja völlig besch… Und Du hättest recht – am Anfang kann es total unterirdisch klingen, wenn man in seiner Übe-Zone ist. Aber das wird immer besser – teilweise schon in 20 Minuten – und dann hast Du wirklich etwas erreicht. Außerdem ist es natürlich sehr, sehr anstrengend! Deshalb solltest Du auch höchstens 20 Minuten am Stück in Deiner Übe-Zone verbringen. Danach geht die Konzentration enorm zurück und Du brauchst eine Pause.

Die Lösung

Wenn Du es schaffst, täglich mindestens eine dieser 20-Minuten-Einheiten zu absolvieren, wirst Du stetig zu einem besseren Gitarristen. 20 Minuten täglich richtig arbeiten, nicht zum 100x das gleiche abspulen – das klingt doch gar nicht so viel. Wichtig ist, dass Du es mal mindestens 4 Wochen probierst. Übe mal wirklich 20 minuten nur dass, was Dir extrem schwerfällt und 100% Deiner Konzentration erfordert. Jeden Tag, 4 Wochen lang. Am besten Du schreibst Dir am Tag vorher auf, was Du am nächsten Tag machen willst. Solltest Du während der 4 Wochen merken, dass es schon klappt – weg damit in die Perfrormance-Zone! Dann musst Du Dir für die 20 Minuten etwas neues suchen, was Dich total anstrengt. Es hilft extrem, wenn Du Dir eine Liste mit dem machst, was Du bereits in der Performance Zone verbuchen kannst. Gehe 1x die Woche durch die Liste und schau, ob es noch present ist. Regelmäßige wiederholung ist wichtig, denn unser Gehirn löscht Informationen, die es für unwichtig hält. Dadurch, dass Du etwas in die Performance-Zone verschiebst und auf Deine Liste schreibst, hast Du eine deutliche Rückmeldung, dass du besser geworden bist. Und das gibt Dir wieder Motivation für die nächste 20 Minuten Session! Achte darauf, dass Du Dir realistische Ziele dabei setzt. Wenn Du gerade erst angefangen hast, ist es z.B. unwahrscheinlich, dass Du in 4 Wochen ein Solo von Steve Vai nachspielen kannst… nimm Dir etwas, was Du nicht kannst, von dem Du Dir aber zumindest vorstellen kannst, es zu können. Hier ist natürlich ein gutes Lernkonzept und/oder ein guter Gitarrenlehrer sehr hilfreich, solltest Du das noch nicht selbst einschätzen können. Dass nur nebenbei 🙂 Deine Aufgabe: Mache das mal wirklich mal einen Monat, und schreib mir, was dabei passiert ist. Ich freue mich total auf Deine Rückmeldung! Inspiration zu diesem Artikel: https://www.ted.com/talks/eduardo_briceno_how_to_get_better_at_the_things_you_care_about